Bereits im letzten Sommer machte mein Schatz immer wieder Bemerkungen, wir könnten uns doch in der Comici – einem Alpinklassiker in der Nordwand der großen Zinne – versuchen. Ich verneinte bei jedem seiner Versuche, mich dafür zu begeistern. Für diese Route musst du jemanden anderen suchen, war meine Antwort. Das schaffe ich nicht und da komme ich nicht mit. Das ist viel zu schwierig für mich und da sehe ich mich nicht darüber hinaus. Das war meine Aussage im letzten Sommer. BASTA! Aber es kam wie es kommen musste. Immer wieder stand diese Route im Raum und immer wieder versuchte mich mein Schatz davon zu überzeugen, dass das alles halb so wild sei und wir das sicher schaffen würden. Also stimmte ich meinem Schatz zu, mit ihm die Comici an der Nordwand der großen Zinne zu klettern und in Angriff zu nehmen.
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Ist die Herausforderung zu groß?
Ich war ja dieses Jahr nicht gerade viel beim klettern, und im letzten Jahr stoppte mich ein Bandscheibenvorfall vor vielen Aktivitäten. Also nicht die besten Voraussetzungen, um die Comici an der Nordwand der großen Zinne zu durchsteigen. Als ich dann einem Deal zugestimmt hatte, zweifelte ich daran, dass ich dieses Mal die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich sagte “Ja”, also gab es keine Ausreden mehr und wir fuhren nach meiner Durchwanderung des Karwendel Höhenweges in die Dolomiten.
Große Zweifel kamen auf, als ich mich mit der Routenbeschreibung etwas intensiver beschäftigte: Der Auszug aus der Beschreibung des Topos für die Comici lautet wie folgt:
“Unten viel, zum Teil schlechtes Material, oben wenig, aber dafür noch schlechteres Material. Blindes Vertrauen auf die vorhandene Chiodatur (Chiodi = Haken) zeugt von geringem Sachverstand.”
Das alles klingt nicht gerade vertrauenserweckend. Aber versprochen ist versprochen….
Ankunft auf der Auronzo Hütte
Mein Schatz kennt mich gut, denn er hat das Zeitfenster des guten Wetters gleich genutzt und mit mir die Fahrt in die Dolomiten – genauer gesagt zur Auronzo Hütte – angetreten. Nicht dass ich mein Versprechen widerrufen könnte ;-)))
Die Ankunft in den Dolomiten auf der Auronzo Hütte, war phantastisch. Ein Sonnenuntergang, wie ich ihn noch nie hier oben gesehen hatte, zeigte sich von der schönsten Seite. Die Berge leuchteten im wunderschönen Abendrot. Es war magisch!
Comici – klettern an der Nordwand der großen Zinne
Am Abend sortierten wir noch unsere Kletterausrüstung. Prüften genau, was in den Rucksack kam und was nicht. Noch ein paar Riegel einpacken und morgen das Getränk nicht vergessen. Die Sonne versank hinter den Bergen und es wurde richtig frisch. Schnell war unser Schlafplatz im Auto hergerichtet und ich schlief recht bald ein. Doch dieser Schlaft dauerte nicht lange. Meine Nervosität und Angst stieg von Stunde zu Stunde. Immer wieder wachte ich auf, konnte keinen richtigen Schlaf mehr finden. Die Angst war zu groß. Wird alles gut gehen? Wie sind die Haken in dieser Tour? – Zur Information: es gibt hier keine Bohrhaken und die Stände bestehen aus alten Rostgurken – und wer weiß, wie lange diese bereits ihr Dasein fristen. Schaffe ich das alles mit meinem derzeitigen Fitness-Zustand? Sind die vielen Seillängen im siebten Grad nicht viel zu schwer für mich? Fragen über Fragen….
Comici – wir kommen….
Der Wecker sollte um 6:00 Uhr läuten, aber bereits um halb 5 war ich hell wach. Unsere
Parkplatz-Nachbarn machten sich auch bereit, damit auch sie frühzeitig beim Einstieg der Nordwand der großen Zinne waren. Durch deren Aktivitäten dauerte es auch bei uns nicht lange, bis wir aufstanden. Ich war Ruckzuck in meinen Kletter-Klamotten und das Müsli war hergerichtet. So starteten wir bereits viel früher als geplant zu unserem Zustieg, von der Auronzo Hütte über den Paternsattel unter die Nordwand der großen Zinne, wo sich der Einstieg dieser recht steilen Tour befindet.
Wir waren nicht die ersten am Einstieg, bereits mehrere Seilschaften waren vor uns. Für
2 Seilschaften war die Tour bereits nach den ersten Längen zu schwer und sie seilten ab. Meine Anspannung hielt den ganzen Tag an. Die ersten 8 Seillängen waren die schwierigsten, aber auch danach wurde es nicht wirklich viel einfacher, denn nach dem Italiener Biwak erwartete uns ein klatschnasser Riss. Die Absicherung wurde immer weniger und die Nässe machte das klettern nicht leichter. Genau das, was in der Beschreibung stand, fanden wir vor. Die Absicherung war wirklich spärlich. Auch die Schlingen, die sich in der Wand befinden waren in einem eher desolaten Zustand. Wir versuchten, durch Eigeninitiative die Stände so gut es ging zu verbessern.
Mein größter Respekt gilt meinem Mann
Größter Respekt an meinen Mann, der die gesamte Route vorgestiegen ist. Ich muss zugeben, dass ich mich das nie getraut hätte. Toni hat die Comici bereits 1983 mit Peter Schäffler frei geklettert. Eine gewaltige Leistung wie ich finde. Anfang der Sechziger Jahre kletterte bereits mein Schwiegervater die Comici an der großen Zinne. Unglaublich….!!!!
Immer wieder müssen wir an den Ständen warten, denn vor allem in den unteren Seillängen dauert es, bis sich die ganzen Seilschaften durch die Wand quälen. Danach kommen wir recht zügig voran. Das ist gut, denn auf den Abend sind Gewitter angesagt. Nach 7 Stunden in der Wand erreichten wir das Ringband, von dem es auf die Südseite der großen Zinne geht. Der Aufstieg auf den Gipfel ging sich nicht aus, den es donnerte und blitzte bereits gehörig.
… nichts wie runter!
Mit der Seilschaft, welche hinter uns geklettert ist, warten wir unter einem Felsvorsprung, bis sich das Gewitter ein wenig verzieht. Regen und Gewitter brauchen wir nun gar nicht, denn der Abstieg nimmt noch eine gewisse Zeit in Anspruch. Wir finden den Abstieg gut und versuchen, so rasch als möglich aus der Wand zu kommen. Zwischendurch seilen wir ein paar Mal ab. Der Abstieg befindet sich auf dem Normalweg, der auf die große Zinne führt. Steinmännchen durch den Schotter weisen den Weg. Rutschen sollte man in diesem Gelände nicht unbedingt. Sehr konzentriert steigen wir ab.
Meine Anspannung löst sich erst, als wir über das Geröll bis zur kleinen Kapelle absteigen. Erst als wir ganz unten sind, kommt ein wenig Stolz auf, dass ich diesen Klassiker – die Comici an der großen Zinne – mit meinem Mann gemeinsam durchsteigen konnte.
DANKE
Ich muss sagen, die Route forderte mich enorm. Vor allem die schlechte Absicherung machte mir schwer zu schaffen, obwohl ich nur im Nachstieg die Route geklettert bin. Mein größter Respekt gilt meinem Mann, der diese Route perfekt vorgestiegen ist und mich sicher durch die Comici an der großen Zinne führte. DANKE!
Herzlichen Dank auch an Andreas von suedtirolalpin.com für die genauen Topos und die Abstiegsinfos.
Nun muss ich mich nach dem Karwendel Höhenweg und der Comici zuerst ein wenig erholen, bevor weitere Abenteuer folgen.
Bis bald …
Eure Bine
8 Kommentare
Hallo Sabine,
wunderschöne Bilder, die mir meine Erinnerung an die Comici vor 25 Jahren mit meinem Kumpel Robert wieder ins Gedächtnis rufen. Bei deinen eindrucksvollen Schilderungen erleb ich diese Tour regelrecht nach. Wir waren schon Ende Juni da und laut Hüttenwirt der Lavaredohütte die Ersten in dem Sommer an der Comici. Auch in anderen Touren an den Nordwänden war an diesem Tag niemand unterwegs und so waren wir tatsächlich völlig alleine in dieser fantastischen Szenerie. In den Rissen und Verschneidungen oberhalb des Italienerbiwaks war es nicht nur nass, sondern es lag noch Schnee. Unablässig tropfte es von oben. Entsprechend ernst war dann die Kletterei, zumal wir mit dem anrückenden Gerwitter um die Wette kletterten. Beim Abstieg schüttete und hagelte es unablässig. Der Hüttenwirt der Lavaredo war froh, als er uns wieder sah und stellte uns eine Karaffe Rotwein nach der anderen hin, ohne was dafür abzurechnen. Insgesamt also DAS Bergerlebnis meiner Kletterlaufbahn. Schön, wenn man wie du solche intensiven Erlebnisse mit anderen teilt.
Viel Freude noch in den Bergen
Uli
Hallo Uli,
da hattet ihr ja auch Abenteuer pur in der Comici. Ich mag mir nicht vorstellen, wie die Seillängen mit Schnee und Eis zu klettern sind.
Schön, dass alles glatt gelaufen ist und die Erinnerung lebt.
Weiterhin ganz tolle Bergerlebnisse und komm immer wieder gesund zurück.
Schöne Grüße
Bine
Super Sabine, herzlichen Glückwunsch! Diese Tour muß man einfach gemacht haben. Bin sie vor ein paar Jahren mit Walter M. geklettert. Vielleicht sieht man sich ja wieder einmal irgendwo.
Lieber Franz,
Danke für das Kompliment. Es war für mich eine extrem harte Tour.
Ich bin froh, dass Toni alles vorgestiegen ist.
Da kam ich wirklich an meine Grenzen…
Ja ganz bestimmt sehen wir uns wieder – wird höchste Zeit!
Ganz liebe Grüße
Sabine
Hallo Bine,
Eine Mega beeindruckende Leistung von dir, das hätte ich mich nicht getraut. Die Ausblicke und Bilder sind der Hammer. Find es cool, dass ihr dafür immer mal wieder noch Zeit hattet. :)
LG Corinna
Liebe Corinna,
vielen herzlichen Dank. Ja mein Mann wollte schon immer mit mir
diese Tour nochmals machen. Für ihn ist es bereits das 2. Mal.
Im Jahr 1983 hat er diese Route schon geklettert. Ich habe mir sie
nie zugetraut und deshalb hat es wahrscheinlich aus so lange gedauert,
bis ich mich hab überreden lassen wir dann eingestiegen sind ;-)
War eine mega Erfahrung und eines meiner größten Abenteuer…
Ganz liebe Grüße
Bine
Brutal!! Ihr 2 seids der Wahnsinn!! Ich mach mir schon bei den Bildern in die Hose^^ Kannst echt stolz sein auf dich und Toni sowieso!
Lg Sabi
Danke Sabi,
ja ein wenig stolz bin ich schon.
Aber ich hatte wirklich unheimliche Angst vor dieser Wand
und selbst nicht so richtig daran geglaubt, dass ich es schaffe.
lg
Bine